Das Unsichtbare sichtbar machen. 14. Nachsorgekongress in Dresden zu Ende gegangen

29.04.2022 – Konzentrationsschwäche, Reizüberflutung, Kopfschmerzen: Derartige Symptome kennt wahrscheinlich jeder Mensch. Doch für viele Menschen mit einer erworbenen Hirnschädigung sind diese Beschwerden alles andere als eine Lappalie. Sie leiden täglich darunter, oft in einer besonders schweren Ausprägung, was ihren Alltag massiv einschränkt. Diese unsichtbaren Beeinträchtigungen standen daher im Fokus des 14. Nachsorgekongresses der Arbeitsgemeinschaft Teilhabe, Rehabilitation, Nachsorge und Integration nach Schädelhirnverletzung (AG Teilhabe), der vom 28. bis 29. April in Dresden stattgefunden hat. „Die Betroffenen sind in der Regel nur sehr eingeschränkt belastbar“, erklärt der ärztliche Kursleiter des Kongresses, Dr. Johannes Pichler. „Problematisch wird dies bei jenen, die nur ein leichtes Schädelhirntrauma erlitten haben – sie können häufig dieselben Aufgaben erledigen wie vor dem Unfall, kommen aber schnell an ihre Grenzen und müssen sich immer wieder dafür rechtfertigen, vor ihren Kollegen, ihren Freunden oder auch vor ihren Krankenkassen. Dabei sprechen wir hier von neurologischen, hirnorganischen Schäden, die das Leben der Betroffenen möglicherweise dauerhaft belasten. Insofern ist es wichtig, auch auf diesen Aspekt einer Schädelhirnverletzung aufmerksam zu machen und sowohl die Öffentlichkeit als auch Politiker und Leistungserbringer zu sensibilisieren.“

Für dieses Ziel bot der Nachsorgekongress, der in diesem Jahr unter der Schirmherrschaft des sächsischen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer stand, einmal mehr den idealen Rahmen. Seit 2006 bringt er Mediziner, Politiker, Leistungserbringer und -träger sowie Betroffene und ihre Angehörigen zusammen und ermöglicht einen Austausch auf Augenhöhe. „Dieser interdisziplinäre Diskurs ist in Deutschland einzigartig“, betont Pichler, der seit 2011 regelmäßig an der Veranstaltung teilnimmt. „Beim Nachsorgekongress können Menschen mit erworbenen Schädelhirnverletzungen einen Arzt um einen Rat bitten oder einen Politiker mit konkreten Anliegen konfrontieren, und diese erfahren wiederum aus erster Hand, mit welchen Herausforderungen Betroffene zu kämpfen haben.“ Dabei spielen insbesondere die Workshops und Diskussionsforen eine zentrale Rolle. „Es ist ein großer Verdienst der teilnehmenden Arbeitskreise und Werkstätten, dass sie sich in diesen Formaten einbringen und sie gestalten“, betont Pichler. „Sie sind gewissermaßen ein Herzstück des Nachsorgekongresses – fast alle AGs haben sich in diesem Rahmen überhaupt erst gegründet und agieren inzwischen als Interessenvertretungen der Betroffenen.“

Der 14. Nachsorgekongress war nach einer zweijährigen Zwangspause insbesondere für die Betroffenen und ihre Angehörigen, die den Austausch untereinander ebenso sehr brauchen wie den mit Ärzten und Medizinern, ein ganz besonderes Treffen. „Ich hoffe, dass sie gestärkt nach Hause fahren und mit dem Gefühl, mit ihren Sorgen und Problemen nicht allein zu sein“, sagt Helga Lüngen, Sprecherin der AG Teilhabe und Geschäftsführerin der ZNS – Hannelore Kohl Stiftung. „Von der Politik sowie von den Leistungsträgern würde ich mir wünschen, dass Dinge, über die wir schon lange reden, endlich selbstverständlich werden. Dazu gehört vor allem die Teilhabeplankonferenz für Betroffene, die gesetzlich eigentlich schon längst im Sozialgesetzbuch verankert ist, aber immer wieder ignoriert wird. Mit Blick auf die unsichtbaren Beeinträchtigungen hoffe ich zudem auf eine schnellere formale Anerkennung durch die Kostenträger.“


Hintergrund:

Die Arbeitsgemeinschaft „Teilhabe, Rehabilitation, Nachsorge und Integration nach Schädelhirnverletzung“ ist ein Zusammenschluss von Verbänden Betroffenen und Angehörigen sowie Leistungserbringern der ambulanten Rehabilitation und Nachsorge. Sie organisiert den Nachsorgekongress. Die verletzten Menschen mit Schäden des Zentralen Nervensystems benötigen aufgrund ihrer spezifischen Einschränkungen oft lebenslange Hilfe und Förderung. Die Arbeitsgemeinschaft begleitet Betroffene und Angehörige über die Akutbehandlung und die Rehabilitation hinaus, setzt sich für eine angemessene medizinische Versorgung und Rehabilitation ein und bietet Informationen für Betroffene und Angehörige. Darüber hinaus fördert die Arbeitsgemeinschaft den Austausch unter Fachleuten und Betroffenen und bündelt deren Interessen gegenüber Entscheidungsträgern im Gesundheitswesen und der Politik.

Hinter dem Augenscheinlichen. 14. Nachsorgekongress beschäftigt sich mit unsichtbaren Beeinträchtigungen

30.03.2022 – Nicht jede Beeinträchtigung ist auf den ersten Blick zu erkennen. Insbesondere bei Schädelhirnverletzungen bleiben psychische und physische Narben oft unter der Oberfläche und Einschränkungen zunächst unsichtbar. Aufmerksamkeitsdefizite, Sprach- und Wahrnehmungsprobleme oder auch Verhaltensänderungen stellen nur einen Bruchteil der Folgen einer derartigen Verletzung dar. Daher stellt die Arbeitsgemeinschaft Teilhabe, Rehabilitation, Nachsorge und Integration nach Schädelhirnverletzung (AG Teilhabe) diese unsichtbaren Beeinträchtigungen in den Mittelpunkt des 14. Nachsorgekongresses, der am 28. und 29. April in Dresden stattfinden wird.

„Es wird Zeit, dass wir endlich wieder eine derartige Tagung anbieten können“, betont Helga Lüngen, Geschäftsführerin der ZNS – Hannelore Kohl Stiftung und Sprecherin der AG Teilhabe. „Wir haben in den vergangenen Monaten viele Anfragen von Menschen mit einem Schädelhirntrauma und deren Angehörigen erhalten. Alle suchen den intensiven Austausch über Themen, die sie in ihrer Lebenssituation besonders betreffen. Das hat in der Pandemie-Zeit vielen Betroffenen gefehlt.“

Seit 2006 bringt der Nachsorgekongress Betroffene, ihre Angehörigen, Mediziner, Leistungserbringer und -träger sowie Politiker zusammen, um in konstruktiver Atmosphäre nicht nur über neue therapeutische Ansätze und Forschungsergebnisse zu informieren, sondern auch Begegnungen auf Augenhöhe zu ermöglichen. „Vor 15 Jahren fanden sich im Bonner Gustav-Heinemann-Haus erstmals Selbsthilfeorganisationen, Vertreter von Reha-Einrichtungen und auch die ZNS – Hannelore Kohl Stiftung zu einem interdisziplinären Austausch der Menschen mit erworbenen Hirnverletzungen und deren Angehörigen zusammen“, erklärt Helga Lüngen. „Aus dieser Tagung ist die AG Teilhabe hervorgegangen, die Erfahrungen und Erkenntnisse bündelt, gemeinsam weiterentwickelt und die neuen Einsichten dazu im Sozial- und Gesundheitswesen durchsetzt. Die Impulse dazu kommen aus unseren Nachsorgekongressen mit ihren Teilnehmenden. Sie gestalten damit unsere Agenda entscheidend mit.“

Das Leitreferat des Kongresses wird in diesem Jahr Dr. Annette Tabbara halten, Leiterin der Abteilung für Teilhabe und Belange von Menschen mit Behinderungen im Bundesministerium für Arbeit und Soziales. Sie wird auch an einer Podiumsdiskussion zu unsichtbaren Beeinträchtigungen von Menschen mit erworbenen Hirnschädigungen teilnehmen. Weitere hochkarätige Akteure, darunter Dr. Angelika Nebe von der Deutschen Rentenversicherung sowie der Neurologe und Gutachter Professor Wolfgang Fries ergänzen das Podium. „Wir versuchen immer, möglichst aktuelle Themen im Rahmen des Kongresses zu diskutieren. Die unsichtbaren Beeinträchtigungen spielen aktuell eine besonders große Rolle, da sie als Spätfolge einer Covid-Infektion derzeit allgemein diskutiert werden“, betont Helga Lüngen. „Uns ist es wichtig, dass diese auch erkannt und ernst genommen werden. Vielfach werden die Betroffenen schlicht als Simulanten betrachtet und erhalten keine Chance für eine dringend notwendige Rehabilitation.“ Erweitert wird das Programm unter anderem durch verschiedene Workshops und Diskussionsforen. Eine Fachausstellung rundet den Kongress ab. Die Veranstaltung unterliegt den zum entsprechenden Zeitpunkt gültigen Corona-Regeln – nach derzeitigem Stand gilt die 2G-Regel sowie eine FFP2-Maskenpflicht in allen Bereichen.

Für einen Infokasten „Details“

Datum: 28. + 29. April 2022

Ort: DGUV Congress – Tagungszentrum des Instituts für Arbeit und Gesundheit der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung

Kosten: Für Menschen mit erworbener Schädelhirnverletzung kostenlos; Angehörige und Studierende 50 Euro, Praktiker:innen der ambulanten oder stationären Nachsorge sowie Vertreter:innen eines Kostenträgers, eines Verbandes oder der Gesundheitspolitik 150 Euro. Kosten für Anfahrt und Übernachtung tragen die Teilnehmenden selbst. Am 28.04.2022 ist abends ein kostenpflichtiges „Get Together“ für Teilnehmende, Referent:innen und Ausstellende geplant, das für alle Teilnehmenden (inklusive Betroffener) mit 20 Euro kostet.

Medienkontakt

ZNS – Hannelore Kohl Stiftung
Helga Lüngen (Geschäftsführerin)
Fontainengraben 148
53123 Bonn
Tel.: +49 228 97845-0
presse@hannelore-kohl-stiftung.de


 Hintergrund

Die Arbeitsgemeinschaft „Teilhabe, Rehabilitation, Nachsorge und Integration nach Schädelhirnverletzung“ ist ein Zusammenschluss von Verbänden Betroffenen und Angehörigen sowie Leistungserbringern der ambulanten Rehabilitation und Nachsorge. Sie organisiert den Nachsorgekongress.
Die verletzten Menschen mit Schäden des Zentralen Nervensystems benötigen aufgrund ihrer spezifischen Einschränkungen oft lebenslange Hilfe und Förderung. Die Arbeitsgemeinschaft begleitet Betroffene und Angehörige über die Akutbehandlung und die Rehabilitation hinaus, setzt sich für eine angemessene medizinische Versorgung und Rehabilitation ein und bietet Informationen für Betroffene und Angehörige. Darüber hinaus fördert die Arbeitsgemeinschaft den Austausch unter Fachleuten und Betroffenen und bündelt deren Interessen gegenüber Entscheidungsträgern im Gesundheitswesen und der Politik.

 

Die ZNS – Hannelore Kohl Stiftung für Verletzte mit Schäden des Zentralen Nervensystems mit Sitz in Bonn wurde 1983 von Frau Dr. med. h.c. Hannelore Kohl ins Leben gerufen. Die Stiftung unterhält einen Beratungs- und Informationsdienst für Schädelhirnverletzte und deren Angehörige, unterstützt bei der Suche nach geeigneten Rehabilitationseinrichtungen und fördert die wissenschaftliche Forschung auf dem Gebiet der Neurologischen Rehabilitation. Sie engagiert sich in der Präventionsarbeit für Unfallverhütung. Bis heute konnten über 32,4 Mio. Euro aus Spendenmitteln für Projekte an Kliniken, Institutionen und Rehabilitationseinrichtungen in Deutschland weitergegeben werden.
www.hannelore-kohl-stiftung.de